Im letzten Jahr sind bundesweit 25000 Verfahren wegen erschlichener Corona-Soforthilfen oder anderer Delikte mit Pandemiebezug aufgelaufen.
Eurowings stockt die Anzahl der Flüge nach Mallorca über Ostern auf 300 auf.
Zwei Notizen aus der Tagespresse.
Haben die was miteinander zu tun?
Ich finde schon. Denn es zeigt exemplarisch, wie unsere (und wohl auch andere / alle) Gesellschaften funktionieren.
Jedenfalls nicht solidarisch. Nicht so, wie wir es uns eigentlich wünschen, wie Politiker es anmahnen (was manche – wenige – nicht daran hindert, sich im nächsten Moment darüber hinweg zu setzen). Nicht verantwortungsvoll, nicht ums Gemeinwohl bemüht.
Aber wussten wir das nichts längst? Wie sollte es sonst möglich sein, dass die Person, die unser Geld betreut, mehr verdient als die, die unser Kind oder unsere Eltern betreut? Ist unser Geld tatsächlich mehr wert als unsere Nächsten?
Natürlich sind wir alle in den letzten Jahrzehnten darauf getrimmt worden, zuerst an uns selbst zu denken. New economy, die Macht des Marktes, Tony Blair, Gerhard Schröder, die Devise, „wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht“. Man hat uns eingeredet, dass der Markt das einzig wahre Instrument sei, um langfristig prosperierende Gesellschaften zu schaffen, nur zu unserem Besten. Und hat munter Wohnungsbaugesellschaften, Infrastruktur und das Gesundheitswesen privatisiert, um Haushalte zu sanieren und voller Stolz die schwarze Null wie eine Trophäe zu präsentieren, das ultimative Ziel allen Handelns.
Nein, ich verstehe nichts von Wirtschafts- und Finanzpolitik. Deswegen ist es vermutlich einfach, diese Entscheidungen zu kritisieren. Aber fallen uns die Ergebnisse nicht gerade vor die Füße? Fehlender bezahlbarer Wohnraum in den Ballungsgebieten, verschlafene Digitalisierung, dysfunktionale weil kaputtgesparte öffentliche Verwaltung… Personalnot in der Pflege gibt es seit mehr als 30 Jahren, die Gründe kennt man ganz genau, schlechte Bezahlung, mangelnde Wertschätzung (im Gegensatz zu unserem Bankberater, der vielleicht seit der Finanzkriese auch nicht mehr so den ganz guten Ruf hat, aber ansonsten sicher nicht so gefordert ist, wie die Nachtschicht in einem Altenheim). Alles bekannt. Konsequenzen? Nur kosmetischer Art.
Ich höre schon die Rufe, wie das denn alles finanziert werden soll. Und ob ich denn wolle, dass die Steuern oder wahlweise (und noch bedrohlicher) die Kosten für die Kita- oder Heimunterbringung noch weiter steigen sollen?
Ich denke, es gibt genug Wirtschaftswissenschaftler, die sich damit beschäftigen und genug Konzepte, die Lösungen bieten. Vielleicht mache ich es mir damit ziemlich einfach. Aber ich bin nur eine einfache Bürgerin, die gewisse Erwartungen an den Staat und an ihre Mitbürger hat.
Und damit sind wir bei der anderen Meldung, die mit den Zusatzflügen. Kaum wird die offizielle Reisewarnung aufgehoben, benehmen wir uns wie Lemminge, um uns ins Meer zu stürzen. Verantwortung? Keine Spur! Der Nachsatz, dass die Aufhebung der Reisewarnung keinesfalls bedeute, dass man auch reisen solle, verhallt ungehört. Und dass Urlaubsreisen generell besser unterlassen werden sollten, interessiert uns nicht die Bohne, vielleicht haben wir es auch nicht mehr mitbekommen, weil wir schon mit der Flugbuchung beschäftigt waren.
Steigende Inzidenz, Aussetzung der Impfung mit dem wichtigsten Impfstoff für die breite Bevölkerung, dramatisch steigende Infektionen mit ansteckenderen Mutanten? Who cares? Hauptsache Malle, Hauptsache Urlaub, das haben wir uns verdient. Und es ist ja nicht verboten, oder? Und mir passiert ja nichts…
Wie war das mit der Solidarität? Ach ja, die anderen…