Der Spiegel hat Geburtstag, vor genau 75 Jahren erschien die erste Ausgabe des „Sturmgeschützes der Demokratie“ wie das Heft immer noch gern und immer wieder bezeichnet wird (und sich auch selbst gern – meistens etwas ironisch – so bezeichnet).

Meine persönliche Spiegel-Geschichte beginnt in den frühen Achtzigern, es gab Freunde aus der friedensbewegten Szene, die das Heft damals schon regelmäßig lasen. Und weil ich dazugehören wollte, habe ich mich auch daran versucht. Und wäre fast verzweifelt an den seitenlangen, in mikroskopisch kleiner Schrift gehaltenen Ausführungen über Themen, von denen ich bestenfalls eine leise Ahnung hatte. Kein Bild, nirgends! Unvorstellbar heute. Ich bewunderte die ernsthaft diskutierenden Jungs mit ihren Strickpullis und Birkenstocksandalen umso mehr, weil sie das aushielten und die Artikel wirklich lasen. Behaupteten sie jedenfalls.

Ich hielt es nicht aus und blieb noch ein paar Jahre beim leichtverdaulichen STERN. Bis zu der unseligen Affäre mit den Hitler-Tagebüchern, da war es vorbei mit mir und dem STERN.

Es musste dann doch wieder der SPIEGEL sein, blieb einem ja kaum etwas anderes übrig. Einfach war es nicht, es hat eine Weile gedauert, bis wir wirklich Freunde wurden, dann aber fürs Leben. Und die Artikel sind heute ja auch reicher bebildert. Und nicht mehr so lang. Die Schrift ist größer, es gibt mehr freie Flächen. Und es gibt auch (zu viele, meiner Meinung nach) kurze Meldungen.

Kürzlich habe ich mein Abo, das ich seit 1989 hatte, gekündigt (ich kann mich nicht erinnern, was es damals als Werbegeschenk gab… vielleicht so ein Mehrzweckmöbel, in das man Platten und Kassetten (!) stellen konnte?). Aber nur, um ein neues, auch die online-Spiegel+Inhalte umfassendes abzuschließen.

Und ja, ich sehe an vielen Stellen die Oberflächlichkeit, die sich eingeschlichen hat. Und natürlich war der Fall Relotius eine Katastrophe, egal, was man daraus gelernt hat. Und mit der Themenwahl bin ich nicht immer einverstanden, zu viel Lifestyle für ein „Sturmgeschütz“, da merkt man schon das Schielen nach der Auflage und den Clicks.

Aber dafür auf die sonntägliche Lektüre verzichten? Auf politische Hintergrundberichte (mit Inhalten, die oft in der Folgewoche Thema werden, wo man dann sagen kann, dass man das schon gewusst hat), Politiker-Portraits zwischen Ernsthaftigkeit und Augenzwinkern, berührende Reportagen (hoffentlich nicht erfunden), philosophische und wissenschaftliche Artikel, Kunst und Kultur nicht zu vergessen. Nein, ganz bestimmt nicht.

In diesem Sinne: alles Gute, SPIEGEL, auf hoffentlich noch ganz viele Jahre!