Vorsicht: dieser Text wird emotional! Ich kann nicht anders, weil es mich einfach umtreibt, was gerade in diesem Land passiert.

Eigentlich sollten Emotionen in der Politik ja nicht so viel verloren haben. Emotionen verstellen den Blick auf Fakten und Möglichkeiten. Auf die Fähigkeit, Kompromisse zu schließen und andere Meinungen auszuhalten.

Denn das ist der Kern der Demokratie. Das ist anstrengend, langsam, nervtötend, unbefriedigend.

Emotionen sind so viel einfacher. Einfach mal wütend sein, raushauen, denen da oben mal zeigen, was Sache ist. Funktioniert besonders gut in den sogenannten sozialen Netzwerken. Wo jeder alles fast ungefiltert sagen kann, Kompetenz nicht zählt und jeder Post die gleiche Wertigkeit zu haben scheint.

Selbst mich, die ich das weiß und soziale Netzwerke nur wenig nutze und ansonsten seriösen Nachrichtenquellen vertraue (ihr wisst schon, die mit den Fake News, die gesteuert werden, von wem auch immer, ist ja auch egal, irgendwas wird schon dran sein… die schreiben ja auch immer nur, was die Regierung will… – und schon ist man drin im Kaninchenbau)… was wollte ich sagen? Ach ja, selbst mich packt die Wut, wenn ich auch nur zehn Kommentare unter irgendeinem, vielleicht auch nur am Rande (oder auch gar nicht) politischen Post lese. Und alle anderen auch, deswegen geht es nach spätestens nach diesen zehn Posts auch immer heiß her.

Und weil sich die Wut ins reale Leben verlagert hat, proben die Bauern den Aufstand. Protest ist ihr gutes Recht, dagegen ist nichts zu sagen. Auch wenn man es vielleicht unangemessen findet oder übertrieben, wenn die Kürzungen ungefähr 3 – 5 % der Gesamtsubventionen für die Landwirtschaft betragen und zum großen Teil zurückgenommen wurden. Man könnte aber auch generell mal über die Agrarpolitik nachdenken und nicht nur immer Geld von irgendwoher (dieses Mal von Fischern) zu denen zu schieben, die am lautesten schreien oder die stärkste Lobby haben.

Protest müssen wir also aushalten. Aber es gibt Vorgaben in diesem Land für Protest. Dass Kundgebungen angemeldet werden müssen, beispielsweise. In den Aufrufen der letzten Tage war von „Generalstreik“ zu lesen. Generalstreik? Das ist ein Kampfbegriff von weit links oder weit rechts, in diesem Fall wohl eher von rechts. Das Streikrecht liegt aus gutem Grund in diesem Land bei den Gewerkschaften, als Mittel in Tarifverhandlungen mit den Arbeitsgebern, dafür gibt es ein geordnetes Vorgehen, sowas langweiliges wie Urabstimmungen. Ein Generalstreik ist verfassungswidrig. Aber egal, es klingt gut. Nach Staatskrise und Umsturz. Nach Wut.

Und wo Wut ist, sind die Rechten nicht weit, die alles aufnehmen, was Unruhe schürt. Fun Fact am Rande: im Wahlprogramm der AfD steht, dass Subventionen abgebaut, gestrichen werden sollen und man mehr Wettbewerb in der Landwirtschaft möchte. Nur die dümmsten Kälber wählen ihren Schlachter selbst. Ok, das war jetzt wirklich sehr emotional.  Und ich denke auch nicht, dass alle Bauern demnächst AfD wählen.

Nochmal: (angemeldete) Proteste sind ein legitimes Mittel, der Angriff eines wütenden Mobs auf eine Fähre, auf der sich der Privatmann Robert Habeck befindet, ist es nicht. Ich frage mich, was das Ziel dieser Aktion sein sollte. Was, wenn man die Fähre gestürmt hätte? Hätte man ihn ins Meer geworfen? Gelyncht? Oder wusste man das gar nicht so genau, war man einfach nur wütend und wollte mal „ein Zeichen“ setzen? Ok, das hat man geschafft, ich bin mir nur nicht sicher, ob das hilfreich war.

Mich entsetzen diese Vorgänge, mich beschleicht die Angst, dass es der Anfang von etwas sein könnte. Etwas, das keiner (außer den Rechten) will und wovon es nachher wieder heißt, wenn man das gewusst hätte…

In den Posts in den sogenannten sozialen Netzwerken findet man unverhohlenen Hass, Drohungen, Abwertungen, persönliche Angriffe übelster Art, Allmachtsphantasien, Aufwiegelungen und sehr viel Dummheit. Soll das wirklich unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben bestimmen? Wo ist die Vernunft, die Auseinandersetzung über Argumente, ohne Wut und Geschrei? Wohin bewegen wir uns gerade?

Eine Lösung fällt mir nicht ein. Wut ist so viel einfacher als alles andere…

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