Heute verbietet es sich, über alltägliches zu schreiben. Darüber, dass ich heute endlich mal ausschlafen konnte und wir im Garten viel geschafft haben.
Es verbietet sich, weil der Tag gestern vielleicht einmal in den Geschichtsbüchern stehen wird, falls es in der Zukunft noch Geschichtsbücher geben wird. Falls es überhaupt eine Zukunft geben wird.
In jedem Fall wird der Tag nachhallen. Der Tag, an dem Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj auf offener Bühne vor Journalisten im Weißen Haus lautstark gestritten haben. Sich gegenseitig mit Vorwürfen überzogen haben. Selenskyj, das konnte man deutlich sehen, fassungslos, verzweifelt, er schien den Tränen nahe, erstarrt während der nicht enden wollenden Schimpftirade des Präsidenten und seines Vize.
Alles vergebens. Die Unterwerfung, die Zustimmung zu einem Rohstoffabkommen, von dem niemand so genau weiß, wem es nützen würde. Alle Hoffnung zerstoben. Zerschellt in einer kalkulierten Inszenierung, so kommt es mir jedenfalls vor. Vielleicht, weil Donald Trump gemerkt hat, dass es mit dem Frieden schaffen doch nicht so einfach ist, wie er sich das gedacht hat. Er steht ja schon mächtig unter Druck, wollte er doch am ersten Tag seiner Amtszeit den Krieg beenden. Nun, so leicht ist Wladmir Putin wohl doch nicht von einem Deal zu überzeugen. Warum auch, die USA haben im Vorfeld sämtliche Verhandlungsmasse abgeräumt, vermutlich wechselt Putins Stimmung gerade zwischen ungläubigem Staunen und irrer Heiterkeit über so viel Glück. Jedenfalls kann sich der Herr im Kreml jetzt entspannt zurücklehnen und einfach weiter machen.
Selenskyj, so scheint es, war schlecht vorbereitet, dass er sich so hat provozieren lassen. Aber kann man es ihm verdenken, dass er es bei dem Druck, unter dem er stehen muss, nicht wie Macron und Keir Starmer in der letzten Woche hingekriegt hat, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, zu lächeln und zu scherzen? Und vermutlich wäre es auch egal gewesen, der Eklat war gewollt. Jetzt hat man einen Schuldigen, auf den man das Scheitern schieben. Selbst schuld, Wolodymyr.
Bezeichnend die Szene, in der sich Trump an die Journalisten wendet mit den Worten „Ich denke, wir haben genug gesehen, was meint ihr? Das war großartiges Fernsehen, oder?“ und es wird gelacht. Trump in seinem Element, wie früher in seiner Fernsehshow.
Danach durfte Selenskyj gehen. Vom Hof gejagt, wie ein räudiger Hund. Gedemütigt, gescheitert.
Die Welt scheint gerade so aus den Fugen, dass man sich fragen könnte, ob man nicht in einem ganz besonders fiesen Albtraum gefangen ist. Wenn man es denn nicht besser wüsste.
Und man fragt sich unwillkürlich, was als Nächstes kommt. Mittlerweile kann man sich ja ziemlich viel vorstellen. Die Entwicklungen sind so schwindelerregend, jedem Drehbuchschreiber in Hollywood wäre so ein Szenario als unglaubwürdig und überzogen abgelehnt worden.
Und wo ist eigentlich die amerikanische Zivilgesellschaft? Was ist mit den berühmten ‚checks and balances‘ zum Schutz der Demokratie, von denen doch immer die Rede war? Die anscheinend nicht ausreichen, um jemanden, dem Regeln und Gerichte völlig egal sind, aufzuhalten. Mir ist angst und bange.
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Ich glaube, die Masse der ‚einfachen‘ amerikanischen Zivilgesellschaft ist stolz auf Trumps intriganten Schachzug. Man fragt sich unweigerlich, ob die USA noch eine Demokratie ist, wenn sie sich ganz anders darstellt. Schutz ist da keiner zu erwarten, eher das Gegenteil.
Angst ist ein schlechter Ratgeber! Manchmal brauchen Politiker einen Auslöser, um notwendige Dinge in Gang zu bringen. Es wird sich alles zum Guten wenden! Alles Liebe und viele Grüße, Gisela
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Du kannst was Sigrid. Toll geschrieben!!!
LG Marion
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