Kapitel 4

„Nun“, holte Bruno mit einem süffisanten Grinsen zum Gegenschlag aus, „da könnte man ja glatt meinen, dass einer der im Schloss Anwesenden womöglich eine Tür offen gelassen haben könnte, oder noch schlimmer, das Bild selbst genommen haben könnte, aus welchen Gründen auch immer.“

Trixi Hammermeister wurde erst blass dann knallrot. „Das lasse ich mir nicht bieten, nicht von Ihnen!“ Sie war aufgesprungen und fuchtelte mit dem Zeigefinger vor seiner Nase herum. „Ich war in meinem Büro, das wissen Sie ganz genau, ich habe schließlich zu arbeiten!“ Sie wirbelte herum. „Wenn überhaupt, dann ist er es gewesen!“ Paul zuckte zusammen, suchte Halt am Türrahmen. „Ich… ich war oben und habe telefoniert. Hier…“ Er fummelte sein Handy aus der Hosentasche, drückte ein paar Tasten und hielt es Trixi unter die Nase. „Sehen Sich die Liste an.“ Bruno erhaschte einen Blick auf den winzigen Bildschirm auf dem eine ellenlange Nummer zu sehen war. Trixi sah Paul ungläubig an, während dieser auf weitere Tasten hämmerte und ihr das Telefon erneut hinhielt. „Sehen Sie?“

„Sie haben über eine Stunde lang telefoniert? Mit Ihrem Privathandy?“

„Ja, warum nicht?“ Pauls aggressiver Unterton ließ Trixi verstummen. Sie warf stattdessen einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Oh Gott, Dr. Brunner! Es ist gleich halb drei!“

Dr. Brunner war, wie selbst Bruno wusste, einer der Hauptsponsoren der Ausstellung.

„Schnell, raus hier… Wir reden nachher weiter. Keiner verlässt das Gelände!“

Im Rausgehen bemerkte Bruno, wie Alex, den er fast vergessen hatte, auch weil er zu alledem kein Wort gesagt hatte, Trixi kurz an der Hand berührte. Sie zuckte zurück, als hätte sie sich verbrannt und warf ihm einen wutentbrannten Blick zu.

‚So, so,‘ Bruno konnte ein gewisses Erstaunen nicht unterdrücken. ‚was ist da denn im Busche? ’ Einer plötzlichen Idee folgend betrat er Trixis Büro, bevor sie ihm die Tür vor der Nase zuwerfen konnte.

„Ist noch was?“ Sie zerrte ihren Schreibtischstuhl zur Seite und drehte am Hebel um einen Fensterflügel zu öffnen. „Haben Sie mir was zu sagen? Wegen dem Tor etwa?“

Er schüttelte den Kopf „Nein, ich… ich wollte nur noch mal was auf dem Lieferschein von heute Morgen nachgucken… wegen der Buchsbäume, ich glaube, das sind andere als ich bestellt habe.“ Ungeduldig langte sie nach dem Papier in ihrem Ablagekorb. „Bitte sehr.“ Sie knallte den Lieferschein vor ihm auf den Tisch. „Als wenn das jetzt irgendjemanden interessieren würde.“ Er besah das Schriftstück und gab es ihr dann mit einem leichten Nicken zurück. „Genau das dachte ich mir.“, sagte er mehr zu sich selbst als zu ihr.

Fräulein Hammermeister hatte gelogen, als sie behauptete, die ganze Zeit in ihrem Büro gewesen zu sein. Und Bruno war sich sicher, zu wissen, wo sie gewesen war und mit wem, auch wenn er es kaum glauben konnte. Grinsend machte er sich auf dem Weg zu dem Pavillon am hinteren Ende des Parks. Ja, es passte alles zusammen, der Grasfleck an ihrem Schuh, ihr etwas durcheinander geratenes Äußeres, das gar nicht die Folge des Schocks auf dem Diebstahl, wie er zunächst vermutet hatte, sondern das Ergebnis eines mittäglichen Stelldicheins im Park gewesen war. Natürlich hatte sie nicht zugeben können, dass sie ihr Büro verlassen hatte. Diese Pflichtverletzung hatte vielleicht dafür gesorgt, dass der Dieb ins Schloss gekommen war, denn sie hatte, vielleicht aus Vorfreude auf das bevorstehende Treffen, versäumt, ihr Fenster zu schließen. Der vom Regen aufgeweichte Lieferschein war Beweis genug dafür, auch wenn sie alle weiteren Spuren in ihrem Büro inzwischen sorgfältig getrocknet hatte. Der einsetzende Regen hatte jedenfalls dafür gesorgt, dass sie nicht ins Schloss zurück konnte und dem Dieb genug Zeit gelassen, seine bösen Absichten zu Ende zu bringen.

Die ganze Geschichte hatte allerdings den Haken, dass sie seine Theorie, wer der Täter sein könnte, ins Wanken brachte. Denn wenn Trixi sich mit Alex – ja, wirklich, die Geste des jungen Mannes hatte Bände gesprochen – im Pavillon getroffen hatte, konnte Alex nicht der Dieb sein. Paul war es auch nicht, er hatte telefoniert und außerdem wusste er, dass das Bild wertlos war, er hatte es schließlich oft genug wiederholt. Und warum sollte er so eine Show inszenieren? Er hätte es doch einfach nach Feierabend in seine Aktentasche packen und mitnehmen können, wenn er gewollte hätte.

Bruno sah Alex rechts von ihm zwischen den Bäumen Richtung Gartenhütte gehen. Der Pavillon lag links, umgeben von hohen Bäumen und einer dichten Eibenhecke und war daher kaum zu sehen, wenn man nicht wusste, wo er sich befand. Bruno zögerte kurz, folgte dann Alex. Ein trockener Ast, der mit einem lauten Knacken unter seinem Schritt zerbrach, sorgte dafür, dass Alex ihn bemerkte, bevor er die Gartenhütte erreichte.

„Ach, Bruno… ich wollte gerade…“ Der Junge sah ziemlich verlegen und eindeutig schuldbewusst drein. Bruno fackelte nicht lange. „Du hast dich mit der Hammermeister getroffen, heute Mittag, im Pavillon, stimmt’s?“

Alex sah ihn erstaunt an, dann brach er zu Brunos Erstaunen in ein schallendes Gelächter aus. „Ja, Mann, habe ich…“ Er konnte sich kaum beruhigen. „Heiße Schnitte, sage ich dir.“ Mit einem Mal hatte sich sein ganzes Schuldbewusstsein in Nichts aufgelöst. „Unglaublich, sage ich dir.“ Auf seinem Gesicht erschien ein anzügliches Grinsen. „Ich weiß, sie sieht nicht so aus, aber ich kann dir sagen…“

Bevor Alex sich in weitere Einzelheiten ergehen konnte, schnitt Bruno ihm das Wort ab. „Wie wäre es, wenn du endlich die restlichen Pflanzen verteilst, damit wir weitermachen können?“

„Okay, okay, ich mache ja schon“ Er wandte sich auf der Stelle um und machte sich Richtung Hof davon.

Bruno sah ihm kopfschüttelnd nach. Alex und die Hammermeister! Unglaublich!

 

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