Kapitel 5

Die Neugier und auch, weil er sonst nichts Sinnvolles zu tun hatte, bis Dr. Brunner sich verabschiedet hatte, führte ihn dann doch noch zum Pavillon. Außerdem wollte er doch mal sehen… und richtig, dort in der Ecke, fast verborgen in einer Ritze, blinkte der Ohrring, den Trixi bei ihrem Treffen verloren hatte. Es war ja anscheinend heiß hergegangen…

Bruno angelte den Ring zwischen den Bodenbrettern hervor und ließ ihn in seine Tasche gleiten. Er freute sich schon darauf, ihn seiner rechtmäßigen Besitzerin zurück zu geben.

Und weil er immer noch nichts Rechtes zu tun hatte, wanderte er langsam Richtung Schloss zurück und dachte darüber nach, was denn nun wirklich passiert sein könnte.

Ganz sicher wusste er nur, dass er nicht der Dieb war und dass er das Tor verschlossen hatte, nachdem der Lieferwagen weggefahren war. Aber wer war es gewesen? „Cui bono?“, murmelte er leise vor sich hin. Ein weiterer Begriff, den seine Herta immer verwendet hatte. „Cui bono? Wem nützt es?“, konnte er sie fast sagen hören. Und: „Folge der Spur des Geldes!“ Aber verdammt, der Schinken war wertlos und es gab kein Geld, dem er folgen konnte. Niemand hatte einen Nutzen, wenn die Ausstellung platzte.

Aber was, wenn das Bild doch nicht so wertlos war, wie Paul immer behauptete und Paul das gewusst hatte? Hatte er doch die Show inszeniert und sich gleichzeitig ein Alibi verpasst, indem er stundenlang telefonierte? Dann musste es einen Komplizen geben. Aber warum das alles? Es wäre immer noch einfacher gewesen, das Bild an einem Freitagabend einfach mitzunehmen. Und woher hätte Paul wissen sollen, dass Trixi ihr Büro verlassen würde? Aber das war doch sowieso Schwachsinn, Paul hätte natürlich auch einfach jemanden hereinlassen können. Hatte das alles also gar nichts miteinander zu tun?

Bruno war völlig verwirrt und froh, als er sah, dass Trixi eben Dr. Brunner am Tor verabschiedete. Er musste unbedingt mit ihr allein sprechen, bevor sie sich gleich alle wieder zusammen die Köpfe heiß redeten.

Sie schien sich etwas gefangen zu haben und sah schon fast wieder so hochmütig aus wie immer. „Nun, Bruno“, begann sie, „haben Sie mir vielleicht doch etwas zu sagen?“ Völlig fasziniert starrte er auf den Fleck an ihrer Bluse und versuchte sich vorzustellen wie sie und Alex… Sein Grinsen verriet ihn, sie sah ihn wütend an, während sie nicht verhindern konnte, dass ihr Gesicht von flammender Röte überzogen wurde.

„Das… das geht Sie gar nichts an.“, stammelte sie verlegen. Er antwortete nicht, langte stattdessen in seine Tasche und hielt ihr den Ohrring hin. Mit einem Mal wirkte sie hilflos und verletzlich, so dass sie ihm fast leid tat.

„Sie haben Ihr Fenster offen gelassen, jeder hätte ins Schloss kommen können.“ Sie nickte, ihre Augen füllten sich zu seiner Überraschung mit Tränen. „Bitte verraten Sie mich nicht. Ich weiß, Sie verstehen das nicht, aber Alex… nun, ich weiß auch nicht. Aber er und ich…“ Mit einem Mal wirkte sie ganz menschlich und sie hatte Unrecht, er konnte sehr wohl verstehen, was zwischen zwei Menschen vor sich gehen konnte… ‚Ach, Herta’, seufzte er in Gedanken und vermisste sie mehr denn je.

 „Aber es konnte niemand in den Park“, fuhr er fort, ohne weiter auf Trixis Seelenqualen einzugehen. „Wer also hat das Bild genommen? Paul hat telefoniert, Sie waren mit Alex im Pavillon und ich habe – entschuldigen Sie bitte – mein Mittagsschläfchen gehalten.“

„Er ist zu spät gekommen“, jammerte sie anscheinend völlig zusammenhanglos. „Wir waren um eins verabredet, aber er kam nicht.“ Sie sah an ihm vorbei, schien weit fort zu sein. „Und dann begann es zu regnen und ich konnte nicht zurück. Ich wusste, dass das Fenster auf war, aber was sollte ich denn tun?“ Sie schluchzte plötzlich auf, so dass er fast den Arm um sie gelegt hätte. „Erst als der Regen schon fast vorbei war, tauchte er doch noch auf, er hätte noch arbeiten müssen, hat er gesagt.“

Plötzlich machte es klick und alle Puzzleteile fielen an ihren Platz. Naja, nicht ganz alle, aber ziemlich viele. Er drückte der überraschten Trixi ihren Ohrring in die Hand. „Ich bin gleich wieder da.“

Wie schon fast sicher erwartet, fand er das Bild im Gartenschuppen hinter einem Regal mit alten, verstaubten Blumentöpfen versteckt. Es war in mehrere Lagen Jutesäcke gewickelt. Die Jutesäcke, die Alex unter dem Arm getragen hatte, als Bruno ihn auf dem Hof gesehen hatte. Gerade aus tiefem Schlaf erwacht, hatte er den Vorfall gleich wieder vergessen, erst als Trixi erwähnt hatte, dass Alex zu spät zu ihrem Treffen gekommen war, war es ihm wieder eingefallen. Er hatte also doch recht gehabt, als er von Anfang an Alex in Verdacht gehabt hatte. Nur so ein unterbelichteter Nichtsnutz war dumm genug, ein wertloses Bild zu klauen, um damit vielleicht ein paar Euros auf einem Flohmarkt zu machen.

„Hab ich dich!“, brummelte er, während er die Jutesäcke hinter dem Regal hervorzerrte. Die Blumentöpfe schwankten und einige, die bedenklich wacklig aufgestapelt waren, kippten über den Rand und schlugen mit einem ohrenbetäubenden Klirren auf den Betonboden. Deswegen überhörte Bruno auch das leise Knarren der Tür und erst als er den Luftzug spürte, wurde ihm im Bruchteil einer Sekunde klar, dass jemand den Raum betreten hatte. Er spürte noch kurz den spitzen Schmerz, den ihm der Schlag auf den Kopf mit irgendwas ziemlich Hartem versetzte, wusste, dass er einen entsetzlichen Fehler begangen hatte, dann wurde alles dunkel um ihn.

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