Heute ist Weltspartag. Na und? Vielleicht werden Sie mit den Schultern zucken und Ihrer Wege gehen. Vielleicht werden Sie aber auch einen kurzen Moment innehalten und mit mir zurück in die Vergangenheit reisen.

Weltspartag!

In meiner Kindheit war das ein sehr besonderer Tag, auf den man schon tagelang hinfieberte. In der Schule sprach man übers nichts anderes, man überlegte, wann man wohl gehen würde und was es in diesem Jahr gäbe.

Und dann holte man voller Stolz die Spardose vom Regal, oft gaben die Eltern oder die Oma noch eine paar Groschen oder eine Mark dazu und dann machte man sich voller Vorfreude auf den Weg.

Ich hatte eine dunkelrote Metallspardose von der Raiffeisenbank, ein oval geformter Zylinder, oben mit einem silberfarbenen Metallbügel, vorne ein schmaler Schlitz für die Münzen und an der Seite eine kleine runde Öffnung für Scheine. Für Scheine? Wann hätte ich jemals einen Schein besessen, um ihn durch diese kleine Öffnung zu schieben?

Es gab die Dosen auch in anderen Farben, gelb, grün, blau, aber mir haben die dunkelroten immer am besten gefallen. Ich meine mich zu erinnern, dass ich sie mir eines Tages bei einem Besuch bei der „Kasse“, wie wir die Bank nannten, aussuchen durfte.

Die „Kasse“ von damals hatte nichts mit den gestylten und hochgesicherten Selbstbedienungsfilialen von heute zu tun. Damals war es einfach ein großer Raum, in dem vor einer Wand mit einem scheußlichen Landschaftsgemälde ein paar Tresen nebeneinander standen, vielleicht drei oder so, jeweils mit einem „Bankbeamten“, der Seriosität ausstrahlte, oder einer weiblichen Hilfskraft, die an die „Tanten“ im Kindergarten erinnerten und mich immer ein bisschen einschüchterten. Es gab ein paar Hinterzimmer und ein größeres Büro für den Filialleiter, alles war beige und braun und vielleicht ein bisschen grün, in meiner Erinnerung sind die Farben blass und verstaubt.

Dort also verrichtete man seine Bankgeschäfte, wie das ging, weiß ich aber nicht, als ich irgendwann selbst Bankgeschäfte zu erledigen hatte, gab es Euroschecks und einen verglasten Kassenschalter.

Bei so einem Besuch, bei dem die Eltern Geldgeschäfte zu erledigen hatten, hatte ich also meine Spardose bekommen. Und wohl auch ein Sparbuch, irgendwo musste ja vermerkt werden, was ich zum nächsten Weltspartag ablieferte. Und ich durfte mir wohl auch ein Buch aussuchen, denn in den ersten Jahren gab es Sammelbilder, die man in die Bücher kleben konnte. Aber das waren nicht wie so simple Sammelalben, es waren eher Geschichten- oder Wissensbücher, mit Texten und leeren Feldern, in die die genau bezeichnete Bilder geklebt wurden, die Bögen mit den Bildern bekam man Weltspartag, je mehr man gespart hatte, desto mehr Bögen bekam man, glaube ich jedenfalls.

Von nun an wanderten manchmal überzählige Pfennige und Groschen in die Dose, die erst auf meinem Bücherregal in der Stube, später in meinem Bücherregal in meinem eigenen Zimmer stand, aber das war viel später.

Viele überzählige Münzen gab es nicht, Geldgeschenke waren unüblich, weil man eher immer sinnvolle Sachen zum Geburtstag und zu Weinachten bekam, die dringender gebraucht wurden, Kleiderstoffe, Stumpfhosen, sowas. Taschengeld gab es erst viel später und auch nicht regelmäßig und das wurde für andere – nicht sinnvolle – Dinge gebraucht.

Wie viel Geld sich ungefähr nach dem Ablauf eines Jahres in der dunkelroten Dose befand, kann ich nicht mehr sagen, viel wird es nicht gewesen sein. Vielleicht steckte tatsächlich die Oma oder mal die Großtante, wenn sie zu Besuch war, was in die Dose, erinnern kann ich mich aber nicht daran. Nachschauen konnte man übrigens auch nicht, man hatte ja keinen Schlüssel für die Dose, den hatte nur die Bank.

Welche Aufregung herrschte dann an dem Tag! Ich drängelte die Mutter zur Eile, endlich aufzubrechen, oft musste man Schlange stehen, bis man dran war, so groß war der Andrang im Schalterraum.

Dann gab man schüchtern seine Dose dem Bankmitarbeiter, der mit einem kleinen Schlüssel geschickt den Boden öffnete und die Münzen in eine Zählmaschine klimpern ließ. Noch ein schneller Blick, ob sich auch kein Schein verklemmt hatte, dann wurde die Dose wieder zurückgereicht und der Betrag in säuberlicher Schrift im Sparbuch vermerkt.

Vermutlich musste es ja so sein, dass man sein Sammelalbum mitbringen musste, woher hätte sonst jemand wissen können, welchen Bogen man schon hatte und welcher im Anschluss dran war?

Man ging stolz und mit einem besonderen Gefühl der Belohnung nach Hause. Am Anfang durfte ich die Bilder nicht selbst ausschneiden und einkleben, zu groß war die Angst, ich könnte ins Bild schneiden oder mit dem Kleber schmieren!

Aber wie habe ich diese Bücher geliebt! Das erste war „Grimms Märchen“, mit einer Abbildung von Dornröschen auf dem Einband. Mein allerliebstes Märchenbuch, neben dem ganz alten von meiner Mutter. Ich sehe heute noch die Bilder vor mir!

Später hatte ich noch „Tiere in Haus und Hof“ mit unglaublich viel Wissen über Haustierrassen, von Pferden, Kühen, Hunden, Katzen und Geflügel bis hin zu Aquarienfischen. Allgemeines über die Tiere, die Beschreibung der verschiedenen Rassen, ich habe so viel draus gelernt und es hat mein Wissen über Haustiere für viele Jahre geprägt, ich habe die Bilder abgemalt und mir nichts sehnlicher als den Bernhardiner gewünscht, der dort abgebildet war!

Mehr Bücher habe ich nicht gehabt, irgendwann lief das wohl aus und wurde von all dem Plunder abgelöst, den auch meine Kinder noch bekommen haben, für die der Weltspartag ziemlich schnell nebensächlich wurde.

Die Bücher habe ich leider nicht aufbewahrt, auch die kleine dunkelrote Spardose ist im Zuge irgendwelcher Aufräum- und Entrümpelungsaktionen verschwunden, genauso wie wohl auch die Bedeutung des Weltspartages für die Kinder heutzutage. Und auch für die Banken, es ist wohl einfach nicht mehr das richtige Konzept für eine frühe Kundenbindung.